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Im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen wir die Einrichtung von handwerklichen Zentren in Schwarzafrika zur Produktion und Ausbildung (praxisnahe Lehrlingsausbildung mit Gesellenabschluss)

 

Zur Zeit (an)laufende Projekte:

1. Mali: (Actions pour les enfants de la rue :
Verein APER, Ibrahim Haidara in Bamako) Nähereien und Schneidereien für Mädchen, sowie Holz und Metallwerkstätten.

2. Ruanda: Erneuerbare Energien, wie Wasserkraft zur Förderung der Züchtung,

3. Nigeria: Geplant ist eine Ausbildungswerkstatt in Ikot Abasi (Opobo) Südost

4. Kenia: Unterstützung bei der Altenversorgung.

 

Eine kulturelle Herausforderung für die moderne 
„universale Zivilreligion“: DEMOKRATIE
Ist Afrika demokratisierbar?

Unser Referent 29. April 2002: Belachew Gebrewold-Tochalo
 Mag. Dr. Belachew Gebrewold-Tochalo, Andechsstrasse 21, A-6020 Innsbruck
[csab5760@uibk.ac.at ]
Tel. 0043-512-363755 schreibt zu diesem Thema:

Wie die afrikanische politische Geschichte zeigt, ist die afrikanische Politik durch ineffektive Versuche zum Aufbau von Nationen gekennzeichnet (Olusegun Obasanjo). Tetzlaff behauptet, “dass die pluralistische Demokratie sehr wohl die beste Herrschaftsform darstellt, die auch potentiell für alle modernen Gesellschaften Gültigkeit beanspruchen darf, dass aber nicht jede politische Klasse bereit und in der Lage ist, die Spielregeln der Demokratie zu beherzigen, deren Sinn ja in der Begrenzung und Rechtfertigung von Macht besteht. 

Dass es dazu kommen kann, hängt allerdings wieder vom Bewusstseinsniveau der konfliktfähigen Gruppen in der Zivilgesellschaft ab, deren Eigeninteresse sie zum Eintreten für demokratische Werte auffordert.” (Tetzlaff 1998, 124). Aus verschiedenen Gründen  wird von vielen politischen Führungskräften diese Position als westliche politisch-kulturelle Metaphysik abgelehnt (Yoweri Kaguta Museveni) oder Einparteiherrschaft in Mehrparteisystemen fortgesetzt (z. B. EPRDF in Äthiopien) (Erdmann 1995, 32). 
Auf der anderen Seite wird vom In- und Ausland behauptet, dass die Demokratiekrise in Afrika auf wirtschaftliche Unterentwicklung zurückzuführen sei. Demnach muss der Zentralstaat ökonomisch imstande sein, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und den armutsbedingten Unmut und Aufstand der Bevölkerung zu besänftigen (Tetzlaff 1998, 129). 
Aber wenn die Demokratie als die Säule der sozialen Menschenrechte aufgefasst wird, ist sie die Voraussetzung der Entwicklung, die ihrerseits gleiche Teilhabe und Teilnahme aller Menschen an allen materiellen und immateriellen Ressourcen verlangt, wenn kein gerechtfertigter Grund für ungleiche Verteilungsgerechtigkeit (für früher soziostrukturell Benachteiligte, für Behinderte und für diejenigen, die mehr Leistung bringen) vorliegt (Stefan Gosepath 1998, 146ff). 
Demokratisierung ist als ein “Prozess der politisch-institutionellen Veränderung von autoritären oder gar totalitären zu partizipativen und Pluralismus zulassenden Herrschaftssystemen zu verstehen” (Tetzlaff 1998, 137). 

Diesem idealen Prozess steht die verhängnisvolle Wirklichkeit von “nation building” gegenüber. Der häufigste Fall von “nation building” mit dem Ziel der Demokratisierung ist nicht als logische Konsequenz erfolgreicher Modernisierung, sondern als Protestreaktion auf Missachtung des Volkswillens, Militarisierung, Herrschaftsmonopol, Willkürpolitik der Staatsklasse, Putsch und Putschversuche, Staatszerfall, diktatorisch blockierte Demokratie, verfassungswidrige Machtkämpfe, behinderte bzw. zersplitterte Opposition, Selbstbereicherung der Staatsklasse, Verletzung der Menschenrechte, etc. entstanden. 

Als Alternative zu dieser politischen Missgeburt wird von vielen afrika-nischen Intellektuellen die afrikanische Palaverdemokratie vorgeschlagen. Nach dieser Demokratie diskutieren alle bis sich alle einigen, wobei man nicht vergessen darf, dass Frauen und unteren sozialen Klassen vom Palaver meistens ausgeschlossen sind. Ein weiteres Problem dieser Demokratie ist die Tatsache, dass eine Nation viele ethnische Gruppe mit eigenen Sprachen enthält. 

In dieser Demokratie spielen die Ältesten die wichtigste politische Rolle. Aber diese nicht ausgebildeten Ältesten sprechen die Amtssprache ihres Landes nicht. Diese Palaverdemokratie auf makrosoziologischer Ebene ist daher mit sprachlichen und organisatorischen Schwierigkeiten konfrontiert. Das heißt, sie ist geeignet für eine kleine Gruppe des Gemeinwesens, aber nicht für eine multiethnische Nation. 

Angesichts dieser Problematik könnte man sich eine makrosoziologische repräsentative Demokratie überlegen. Afrikanische politische Repräsentation setzt immer eine sozioreligiose Legitimation voraus. Das heißt, der Repräsentierende muss mit den zu Repräsentierenden eine sozioreligiose Verbindung haben, damit seine Vertretung legitim ist. Aber die auf der Tradition der Generationen basierende Verbindung gilt nur für die Mitglieder derselben ethnischen Gruppe. 

Daher funktioniert diese repräsentative Demokratie auf makrosoziologischer Ebene nicht. Hier scheint eine alle umfassende Repräsentation mit allgemeiner politischer Ideologie nicht zu funktionieren; oder anders gesagt, es gibt sie gar nicht. Wenn es so ist, wie überzeugend ist die These “Zurück zu den eigenen Wurzeln!”? 
Ein weiteres Problem im Hinblick auf die partizipative Demokratie ist, dass durch den Modernisierungsprozess Generationenkonflikt und intellektuelle Kluft entstanden sind. Das heißt, wie sich die modernisierende soziopolitische Entwicklung zeigt, setzt die Berechtigung zur politischen Führung Ausbildung voraus. 

Zum Beispiel, in Äthiopien sind etwa 50% der Bevölkerung Analphabeten. Diese Menschen haben keinen Zugang zu den Medien. Wie ist politische Partizipation ohne politische Information möglich? Daher ist sowohl die demokratisch-politische Führung als auch die politische Teilhabe und Teilnahme auf die Ausgebildeten eingeschränkt. 
Dadurch verliert die Demokratie ihre Basis, da die Verteilungsgerechtigkeit der immateriellen Ressourcen ausbleibt. Wenn es so ist, ist Afrika makrosoziologisch überhaupt demokratisierbar? 
Aus politikwissenschaftlicher Ratlosigkeit behaupten manche, dass die afrikanische Kultur demokratiefeindlich sei. Faktoren wie die Oralität der Kultur, die Sakralisierung von Herrschaft, das Gewicht des Unsichtbaren (Hexerei, Magie), das Denken und Handeln in Kollektivstrukturen, geron-tokratische Privilegien, klientelistische Weltbilder, etc. werden als anti-demokratisch aufgefasst. 

Diese Theoretiker führen die “Dysfunktionalität des Staates in Afrika auf kulturelle Grundmuster der af-rikanischen Gesellschaft” zurück (Hillebrand 1994, 59), wodurch die sozioökonomische Zweckrationalität der afrikanischen Kultur bezweifelt wird. 
Was ist die Ursache der afrikanischen Demokratiekrise und welche demokratiepolitischen Thesen kann man aufstellen? 
Einige der  Hauptursachen der sozialen Krise in Afrika: 
- die sich mit dem westlichen Wohlstand vergleichende sozioökonomische Unzufriedenheit der politischen Klasse, der Ober- und Mittelschicht und der damit einhergehende Wille zur Macht,  während die Unterschicht um ihr Überleben kämpft 
- die Unfähigkeit der Überwindung der politisierten ethnischen Identität 
- die politische und ökonomische Doppelmoral des Westens 
These 
Afrika ist demokratisierbar, auch wenn nicht unbedingt nach westlichem Muster (Z.B. der Demokratisierungsschritt von Y.K. Museveni) 
Ausweg 
Verteilungsgerechtigkeit der gemeinsamen materiellen und immateriellen Ressourcen des Gemeinwesens. 
Methodik 
Erklärungsversuch der Demokratiekrise: 
- Akteursfunktionalistische oder systemfunktionalistische Theorien der Demokratie? 
Politische Zielsetzung: 
- Kulturalismus oder Universalismus der Demokratie? 
- “Nation building” durch Militarisierung und/oder Ethnopolitisierung? 

Das afrikanische  Menschenrechtsverständnis und die Herausforderungen der Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit 

1. Kommunitaristischer und politisch-religiöser Hintergrund der AfMRK (Afrikanische Menschenrechtskonvention): 
“ Jedes Individuum hat ... die Pflicht: Die harmonische Entwicklung der Familie zu bewahren und für den Zusammenhalt und die Achtung der Familie zu wirken; seine Eltern jederzeit zu achten und für ihren Unterhalt zu sorgen, wenn sie bedürftig sind.“( AfMRK., Art. 29, 1) Die gemeinschaftsorientierte afrikanische Kultur kann die Frage des Werdens und des Seins des afrikanischen Menschen beantworten: Der Mensch wird und bleibt Mensch durch die Mitmenschen. Nach dieser kulturellen und politischen Philosophie ist der Mensch von seinen Mitmenschen, Ahnen und der Natur existenziell abhängig. Das Menschsein und -werden ist ein Prozess, nicht ein Ist-Zustand. 
Für die traditionelle afrikanische Gesellschaft gibt es Menschsein nur in der Familie. (Sun-dermeier 1988)  „Im Einzelnen ist das Ganze repräsentiert, und der Einzelne steht für die ganze Ge-meinschaft.“ Zur Familie gehören nicht nur die Lebenden, sondern auch die Toten. Von den Eltern und Ältesten lernt man die Weisheit; daher kann man nur in der Familie ethisch richtig erzogen werden: Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft, Respekt und Ehrfurcht vor den Mitmenschen und Fremden, Teilnahme an Riten und Festen, soziale Harmonie, Selbstbeherrschung (da nur der geduldige Mann Frieden hat) sind die Grundpfeiler dieser Erziehung. 

2. Antikolonialistischer Hintergrund der AfMRK: 
Wegen der Erfahrung der Kolonialzeit und Diskriminierung der Afrikaner geht die Formulierung der Afrikanischen Menschenrechtskonvention über den Schutz der Rechte des Menschen hinaus zur kulturellen Identität und zu den Werten der Afrikaner. Die “unzivilisierten” Afrikaner reden von ihrer Zivilisation: “... unter Berücksichtigung der Kraft ihrer [afrikanische Staaten] historischen Tradition und der Werte der afrikanischen Zivilisation, die ihr [afrikanische Staaten] Nachdenken über das Konzept der Menschenrechte und Rechte der Völker leiten und prägen müssen... sind wie folgt übereingekommen.” (AfMRK, Präambel) 

Eines der Ziele der Bekämpfung des Kolonialismus war die Wiederherstellung der Großfamilie, der Gemeinschaftlichkeit und der traditionellen Werte Afrikas durch das afrikanische Selbstbewusstsein. Angesichts des entmenschlichenden Kolonialismus gibt es keine afrikanische Identität, keine Menschenwürde und keine Menschenrechte. “Apartheid ist eine Verweigerung von Menschenrechten, ist Anti-Entwicklung in Theorie und Praxis und macht ganzheitliche Entwicklung unmöglich. 

Die Integration aller Elemente innerhalb der Gesellschaft sowohl von Personen als auch von Gruppen, die notwendig sind, um eine umfassende Entwicklung zu fördern, ist genau das, was die Apartheid verhindern will.“ (Zitiert nach Doppelfeld 1994, 278) 
3. Antineukolonialistischer Hintergrund der AfMRK: 
Die von den ärmsten Staaten eingeklagten Rechte auf Entwicklung, Frieden und Schutz der Umwelt sowie das Recht auf Teilhabe am gemeinsamen Erbe der Menschheit (natürliches und kulturelles Erbe der Welt) ist ein Aufruf der AfMRK zur internationalen Verteilungsgerechtigkeit. 
Fragen: 
Wie ist die Rolle des Individuums in dieser kollektivistischen Struktur? 
Welche Diskrepanz kann man zwischen der rechtspositivistischen Menschenrechtspolitik und soziologischen Menschenrechtslage beobachten? 

Die afrikanische Union und ihre Politik der gemeinsamen afrikanischen I-dentität 

Der Hauptbeweggrund der Organisation der afrikanischen Einheit (seit 2001 afrikanische Union) ist der Glaube an die gemeinsame afrikanische Identität. Diese gemeinsame afrikanische Identität und angestrebte Unionspolitik basieren auf folgenden Überzeugungen und geschichtlichen Erfahrungen: 
- Die Überzeugung das eigene Schicksal selbst bestimmen zu können 
- Das Bewusstsein der Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde 
- Das Bewusstsein der Verantwortung von den eigenen afrikanischen menschlichen und natürlichen Ressourcen Gebrauch zu machen 
- Die gemeinsame Entschlossenheit zur Verständigung unter den afrikanischen Völkern und Zu-sammenarbeit unter den afrikanischen Staaten, die die ethnischen und nationalen Unterschiede transzendieren 
- Friede und Sicherheit als Bedingung für menschliche Entwicklung 
- Die mit hartem Preis gewonnene Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der afrikanischen Staaten gegen den Neukolonialismus und all seine Formen zu schützen und zu konsolidieren 
- Die Berufung auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen als eine solide Basis für Frieden und Zusammenarbeit unter den Staaten 
- Die Notwendigkeit der Einheit der afrikanischen Staaten, das Wohl der Afrikaner zu realisieren 
- Schaffung und Verstärkung der gemeinsamen Institutionen 

Die gemeinsame Erinnerung der Kolonialgeschichte, die marginalisierte globale politische und ökonomische Position, die Diskriminierung der Afrikaner, der Zweifel mancher an die afrikanische Menschlichkeit, Apartheid, etc. sind einige der wichtigsten Elemente des afrikanischen Identitätsbe-wusstsein. 

Der äußere Feind, der Glaube an die eigene Zivilisation und der Wille zur Entwicklung charakterisieren den gemeinsamen Standpunkt der afrikanischen Staaten. Auf der gemeinsamen Tradition und gemeinsamen Werten basiert das Konzept der Menschenrechte und der Rechte der Völker (AfMRK, Präambel). 

Diesem anspruchsvollen Vorsatz der afrikanischen Staaten stehen erhebliche innerafrikanische Hürden gegenüber: 
- Infrastrukturelle innerstaatliche Schwäche für partizipative Demokratie: Analphabetismus, unterdrücke Opposition 
- Menschenrechtsverletzung 
- Ethnopolitisierte und religiöse Konflikte 
- Militarisierung der Politik 
- Schwache regionale Organisationen (SADC, COMESA, ECOWAS) 
- Grenzkonflikte 
- Mangel der horizontalen innerafrikanischen wirtschaftlichen und ökonomischen Beziehungen 
- Mangel der gemeinsamen Identität (Nordafrika ??? Schwarzafrika) 
- Institutionelle und finanzielle Schwäche der Afrikanischen Union, die gemeinsamen Positionen und Beschlüsse durchzusetzen 

Diese drei Aspekte (Demokratie, Menschenrechte und Einheit) bestimmen das Schicksal der afrikanischen Sicherheit, politischen Stabilität und ökonomischen Entwicklung. In wieweit ein afrika-nisches Land in der Lage ist für die kollektive und individuelle Entwicklung Weichen zu stellen, wird daran gemessen, ob die afrikanische Identitätsfrage und das Verlangen nach Einheit aufgrund der gemein-samen Traditionen und Werte ein Mechanismus ist, die Macht der politischen Klasse zu etablieren oder den afrikanischen Wohlstand zu realisieren.

 

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